Grundsätzlich unvorbereitet

Auf die Zeit nach einer erzwungenen Fürsorgemassnahme oder Fremdplatzierung waren die Betroffenen kaum vorbereitet. Unterstützung auf dem Weg in ein autonomes Leben gab es lange Zeit nur selten und findet auch heute noch ungenügend statt.

© Verein Gesichter der Erinnerung, 2022

Und immer schwebt über dem Glück das Damoklesschwert

Wer von einer Fürsorgemassnahme betroffen war, konnte nur bedingt beeinflussen, wann diese ein Ende hatte.

Eine wichtige Altersgrenze war das Erreichen der Volljährigkeit, die bis 1996 bei 20 Jahren lag. Doch nicht immer war damit das Ende des behördlichen Zugriffs erreicht. Wenn ein Leben als nicht gesellschaftskonform bewertet wurde, drohten erneute Massnahmen. Gleichzeitig waren Unterstützungsleistungen, die als solche wahrgenommen wurden, rar und der Weg in ein autonomes Leben nicht selten steinig. Nicht alle schafften es, viele wählten den Freitod, weil sie mit dem Erlebten nicht zurechtkamen. ...

Unterstützung macht den Unterschied

Menschen, die anderen Menschen unter die Arme greifen, ohne danach zu fragen, woher sie kommen, können für deren weiteren Lebensweg entscheidend sein. Auch Personen, die von Fürsorgemassnahmen betroffen waren, fanden immer wieder Unterstützung und schafften es, im eigenen Leben anzukommen.

Schwarz-Weiss-Foto mit dem jungen Pfarrer Ernst Sieber in der Mitte, eine Gitarre haltend, in einem Bunkerraum. Um einen Tisch herum stehen oder sitzen sechs weitere Personen, alle in winterlicher Kleidung. Sie hören der Musik zu oder unterhalten sich.

Im Winter 1963, als der Zürichsee letztmals zufror, richtete Pfarrer Ernst Sieber in einem alten Bunker eine Notschlafstelle für obdachlose Menschen ein. Fotograf: Jules Vogt

Der Zürcher Pfarrer Ernst Sieber setzte sich seit den 1960er-Jahren für Menschen ein, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden waren. Er war «Gassenarbeiter» und «Obdachlosenpfarrer». Sieber gründete unter anderem das «Christuszentrum», eine Wohngemeinschaft für gestrandete Jugendliche, darunter viele, die in Heimen aufgewachsen waren. Sie nannten ihr neues Zuhause «Schopf». Mario Delfino war der erste Bewohner.

Auch heute: Aufs Leben nicht vorbereitet

Die fehlende Unterstützung auf dem Weg in ein autonomes Leben ist auch gegenwärtig ein Thema.

Mit 18 Jahren ist man heute volljährig. Dann endet die staatliche Unterstützung für jene, die in einem Heim oder einer Pflegefamilie aufgewachsen sind. Mit den neuen Rechten kommen auch Pflichten. Es gibt Fragen rund um die Themen Auszug, Beruf oder Geld auf dem Weg in ein eigenverantwortliches Leben. Zur Unterstützung junger Erwachsener organisieren sich Menschen, die selbst nicht bei ihren Herkunftsfamilien aufgewachsen sind («Care Leaver»).

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