Ausbildung & Beruf

Erklärtes Ziel vieler Fürsorgemassnahmen unter Zwang war die «Erziehung» oder «Nacherziehung» zur Arbeit. Ein sozialer Aufstieg durch eine gute Bildung war dabei lange nicht vorgesehen. Die Förderung individueller Stärken kam oft zu kurz. Wer aber gefördert wurde, hatte die bessere Ausgangslage im späteren Berufsleben.

© Verein Gesichter der Erinnerung, 2022

Eine Karriere war nicht vorgesehen

Das Arbeiten stand während einer administrativ verfügten Versorgung oder einer Fremdplatzierung oftmals im Vordergrund. Viele Kinder und Jugendliche erlebten deshalb eine Benachteiligung bei der Schulbildung. Ihre Talente wurden kaum gefördert.

Lange waren ihre Ausbildungsmöglichkeiten beschränkt und war lediglich unqualifizierte Arbeit in der Land- oder Hauswirtschaft für sie vorgesehen. Gegenüber Jugendlichen, die nicht in Fremdpflege aufwuchsen, erwuchs diesen jungen Menschen ein Nachteil. Um das Verpasste nachzuholen und ein selbstbestimmtes Berufsleben führen zu können, mussten die Betroffenen später grosse Anstrengungen unternehmen. ...

Individuelle Förderung musste oft hinten anstehen

Den eigenen Berufsweg selbst zu wählen, war für Fremdplatzierte lange nicht selbstverständlich. Vielmehr war die Auswahl für sie stark eingeschränkt und folgte zudem eng gefassten Geschlechterrollen, die sich nur langsam aufweichten.

Der Prospekt wirbt unter anderem mit den Worten: " Neben der Anleitung zu einem christlichen Leben werden die Mädchen zur Tätigkeit, Reinlichkeit und Sparsamkeit angehalten."

Erste Seite eines gedruckten Werbeprospekts der «Mädchenerziehungsanstalt Zum Guten Hirten» von 1914.

Die Erziehung und Ausbildung von Mädchen entsprach lange Zeit ausschliesslich der Vorbereitung auf ein Leben als Hausfrau und Mutter, auch wenn in der Realität viele Familien auf ein zweites Einkommen angewiesen waren. Mit der Erziehung innerhalb klar definierter Geschlechterrollen warb zum Beispiel auch der Prospekt der «Mädchenerziehungsanstalt Zum Guten Hirten» um 1914 – auf der ersten Seite prominent platziert. Zwar betonte man im Prospekt, dass die jungen Frauen nach ihren Fähigkeiten gefördert würden. Um jedoch die Finanzierung dieses Heims zu sichern, «werden die meisten [jungen Frauen] zur Handarbeit verwendet». Damit wurde das zuvor formulierte Anliegen auch gleich wieder relativiert.

Nachteile im Alter

Benachteiligungen in der Ausbildung können sich nicht nur auf das spätere Berufsleben, sondern ebenfalls auf die Rente auswirken: Sie erhöhen das Risiko für Armut im Alter.

Abbildung des 3-Säulen-Prinzips in der Schweiz.

Das Vorsorgesystem der Schweiz basiert auf drei Säulen: Alters- und Hinterlassenenversicherung (1. Säule), berufliche Vorsorge (2. Säule), freiwillige Vorsorge (3. Säule).

Die AHV-Rente ist abhängig von der Anzahl Jahre, die jemand einbezahlt hat. Beitragslücken führen zu einer Teilrente. Pro fehlendes Beitragsjahr erfolgt eine Kürzung von rund 2,3 Prozent. Für die Maximalrente von aktuell 2'390 Franken ist ein durchschnittlicher Jahreslohn von etwas über 86'000 Franken notwendig. Die Minimalrente beläuft sich auf monatlich 1'195 Franken. Reicht eine Rente nicht aus zum Leben, können Ergänzungsleistungen beantragt werden. Viele Betroffene tun dies nicht – aus Angst, erneut vom Staat abhängig zu sein.

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