Gewalt & Missbrauch

Geschlossene Einrichtungen und abgeschiedene Pflegeplätze, ungenügende Kontrolle und Aufsicht: Dies alles begünstigte Gewalt und Missbrauch in einer Gesellschaft, die individuellen Lebensweisen lange Zeit wenig Raum bot.

© Verein Gesichter der Erinnerung, 2022

Ausgeliefert und missbraucht

Psychische, physische und sexuelle Gewalt gehörte für viele Betroffene von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen zum Alltag.

Körperliche Züchtigung war in der Erziehung von Minderjährigen lange verbreitet und ist in der Schweiz auch heute noch nicht ausdrücklich verboten. Wohl gab es bereits früh Ansätze für ein gewaltfreies Aufwachsen: Einzelpersonen oder Medien griffen Missbrauchsfälle immer wieder auf, doch oft wurden am Ende die Täter und Täterinnen geschützt und die Opfer für die erlebte Gewalt selbst verantwortlich gemacht. Aufsicht und Kontrolle, wenn sie denn bestanden, versagten. ...

Sexuelle Gewalt vor Gericht – ein seltener Fall

Im luzernischen Bad Knutwil standen in den 1940er-Jahren Ordensbrüder der dortigen «Erziehungsanstalt für Schwererziehbare» vor Gericht. Ihnen wurde vorgeworfen, Jugendliche sexuell missbraucht zu haben. Sie waren allerdings bei Weitem nicht die einzigen Täter dieser Art, doch unter den wenigen, die sich deswegen vor Gericht verantworten mussten.

Seitliche Ansicht des Gebäudes auf eine schwarz-weiss Aufnahme.

«Erziehungsheim St. Georg», Knutwil-Bad (um 1930)

Die Berichte über systematische sexuelle Gewalt an Jugendlichen in der «Erziehungsanstalt für Schwererziehbare» in Bad Knutwil durch Ordensbrüder und Pfarrer in den 1940er-Jahren blieben nicht die einzigen. Auch in den darauffolgenden Jahren bis zum Rückzug der Ordensbrüder von La Salle im Jahr 1973 sind Missbräuche bekannt – und mindestens ein damit zusammenhängender Suizid. ...

Die Kritik wird immer lauter

Die Kritik an der Vernachlässigung und Gewalt während Heimaufenthalten und bei Fremdplatzierungen fand lange wenig Gehör. Die «Heimkampagne» zu Beginn der 1970er-Jahre steht für den damals einsetzenden Reformwillen.

Die Schweizer Tageszeitung «Blick» widmete sich Mitte 1970 in einer zweiteiligen Serie der Frage, wieso Jugendliche aus der Erziehungsanstalt «Tessenberg» im Kanton Bern flüchteten. Bereits in früheren Jahrzehnten wurden kritische Berichte veröffentlicht. Sie führten jedoch zu keinen grundlegenden Reformen. Vor dem «Blick» berichteten 1970 bereits die Zeitschriften «Sie + Er», «Beobachter» und «Team» kritisch über die Zustände in Schweizer Erziehungsheimen. Diese mediale Kritik an einer autoritären Heimerziehung wurde unter dem Namen «Heimkampagne» bekannt und ist Ausdruck für die damalige Dringlichkeit und Forderung grundsätzlicher Reformen im Heimwesen, die auch im Schweizer Fernsehen gezeigt wurde.

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